Freitag, 29. Mai 2015

Durch den Gemüsegarten der Türkei nach Ankara

Noch ein wenig nass von einem heftigen Nachmittag-Gewitter sitzen wir in Ankara in einem Kaffee und warten auf unsere Wäsche. Gewitter wurde in den letzten Tagen zu einem guten Bekannten. Doch der Reihe nach...
Wir verliessen Istanbul mit der Fähre nach Yalova auf dem asiatischen Teil. Verkehr gab es zwar immer noch, jedoch kein Vergleich zu Istanbul. Auf einer Abfahrt begann Iris' Freilauf zu knattern, hielt aber noch durch bis Iznik. Dort berieten wir die Situation auf dem Dorfplatz, als zwei Polizisten zu uns kamen. Wir zeigten auf den Freilauf, simulierten die Knattergeräusche und sagten "Problem". Ein Fall für Agent 24260. Ohne zu zögern setzte er sich auf sein Fahrrad und hiess uns, ihm zu folgen. So fuhren wir hinter ihm her zu einem Velomechaniker. Dieser schaute sich die Sache kurz an und verpasste dem Freilauf eine gehörige Ölschwemme. Und siehe da: Kein Knattern! Da Iznik nicht nur mit smarten Polizisten und erfahrenen Mechanikern, sondern auch mit einem schönen See überzeugte, blieben wir gleich dort.
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich etwas km fressen. Die Strasse war sehr schön, aber auch hügelig. In Bileçik suchten wir die Migros auf, um Vorräte aufzustocken. Da sich Gewitterwolken zusammenzogen und die Aussicht auf eine Fahrt durch den Regen mit anschliessender Zelt-Übernachtung nicht gerade zum Losfahren animierte, freuten wir uns, als ein junger Mann begann, mit Google translater mit uns zu plaudern. Im Verlauf des Gesprächs rief er seinen Freund an, der gemäss Google translater "offiziell soziale Fahrrad" war. Hakan, so hiess er, stellte sich als Präsident des lokalen Fahrrad Verbandes vor. Als er erfuhr, dass Iris aus Winterthur kam, war er völlig aus dem Häuschen, da dies auch sein Geburtsort war. Spätestens jetzt war Weiterfahren kein Thema mehr. Wir fuhren mit Hakan zu seinem Fussballplatz, den er betreibt. Dort zeigte er uns Bilder von den Bileçik Velo Festivals, die er schon dreimal organisiert hatte - mit enorm wachsender Beteiligung. Wir kriegten in seinem Auto eine Bileçik Tour mit Einladung zum Nachtessen. Übernachten konnten wir im Ofis des Fussballplatzes. Am nächsten Morgen wurden wir mit Bileçik Bike Festival Sicherheitswesten ausgerüstet, schossen viele Selfies und wurden zum Frühstück eingeladen und dann auf unsere nächste Etappe entlassen.
Diese führte uns durch das Gemüse Tal der Türkei. Felder soweit das Auge reichte. Und konstantes, strenges auf und ab. Irgendwann kamen wir in Mayislar an. Einmal mehr zogen sich die Gewitterwolken zusammen. Wir taten, was wir in solchen Situationen immer tun: Abwarten und Tee trinken. Ungefähr alle halbe Stunden prüften wir den Himmel, denn eigentlich wollten wir noch ca. 15 km weiter zum Campieren. Der Himmel schickte jedoch in regelmässigen Abständen neue Wolken mit mehr Regen vorbei und es machte nicht den Anschein, dass er gross Lust auf eine Veränderung hatte. Der Wirt beobachtete unser Treiben und irgendwann bot er uns an, in seinem fast fertig gebauten Haus gleich gegenüber des Teehaus zu übernachten. Wir nahmen dankbar an und genossen eine Nacht im Trockenen.
Am nächsten Tag fuhren wir früh los. Die Landschaft blieb so hügelig wie schön. Zur Abwechslung gab es mal kein Gewitter am Abend, so schlugen wir unser Zelt auf der Abfahrt eines kleinen Passes auf. Dass das so nicht bleiben konnte war ja klar. Darum am nächsten Tag wieder Default: sonnig am Morgen, heiss am Nachmittag, Gewitterwolken am Abend. Diesmal landeten wir in Beypazari. Kaum bogen wir in eine Seitenstrasse ein, sprach uns ein Herr in gutem Englisch an. Seine Offerte: Tee gegen ein paar Fragen. Nahmen wir natürlich an, es war ja eh wieder abwarten und Tee trinken angesagt. Der Herr stellte sich als Kulturminister von Beypazari vor. Sein Ziel: die zahlreichen Wochenend-Besucher aus Ankara zum Velofahren animieren. Da wussten wir mit Hakan natürlich DIE Fachperson für solche Themen. Ein Telefon und ein Tee später war die Idee einer Veloroute von Bileçik über Beypazari nach Ankara geboren. Auch wollte der Kulturminister eine Velogruppe ins Leben rufen, mit dem Namen "Pedalistan". Wir bleiben dran... Schliesslich lud er uns zu einer Übernachtung in einem der klassischen Otomannen Häuser ein. Das Zimmer war sehr platzsparend und fantasievoll eingerichtet. Dusche und WC in je einem Einbauschrank sieht man nicht alle Tage.
Nachdem wir nun kapiert hatten, dass die Gewitter am Nachmittag wohl eine zeitlang der Standard sein würden, fuhren wir schon um 7 Uhr los. Um diese Zeit war es schön ruhig auf den Strassen und angenehm kühl. So legten wir die 106 km bis Ankara in einer guten Zeit hin. Die Einfahrt in Ankara war nicht ganz so hektisch wie in Istanbul, so dass wir uns nach einer ereignisreichen Woche um fünf Uhr abends auf unseren Ruhetag einstellen konnten. Diesen nutzen wir für einen Besuch in einem Velogeschäft, um mal das Angebot an Hinterrädern zu überschauen. Iris' Freilauf machte zwar seit der Ölschwemme keine Macken mehr, aber man weiss ja nie. Dann kam wieder Freund Nachmittagsgewitter, und diesmal so richtig, mit viel Regen und Hagel. Gut gab es in der Nähe ein Kaffee mit Internet. Den Nachmittag vebrachten wir dort mit Abwarten und Tee trinken...


Agent 24260 im Einsatz 

Hakan, Präsident des lokalen veloverbandes

Sicher unterwegs Dank Hakan



Ein Schlafplatz im Trockenen 





Platzsparender als Ikea





Moschee im Bau in Ankara

3 Kommentare:

  1. Einmal mehr werde ich zwei Jahre zurückversetzt und ich sehe gleiches und lese ähnliches wie wir erlebt hatten.
    Einfach Grandios. geniesst die Zeit in vollen Zügen.
    Vöu (chli nidischi ;-) Grüess usem Büro
    Chregu

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  2. Liebe beide
    Danke für ein weiteres Lesehighlight! Retic, Du solltest Deine Schreibfähigkeiten auch sonst mal einsetzen später ;-))
    Toll, dass Ihr uns immer wieder ein bisschen miterleben lässt, was ihr erlebt!
    Alles Gute weiterhin!
    die Sultanin

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  3. Liebe Iris,
    an dieser Stelle im Nachhinein noch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Hoffentlich habt ihr den gebührend gefeiert. Ganz liebe Grüsse an euch beide
    Adrian

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