Donnerstag, 30. Juli 2015

Die Schlüsselstelle Turkmenistan

Mit dem Turkmenischen Visum hatten wir nun das Minimalset am Stempeln für unsere Reise zusammen. Das war nicht selbstverständlich, wir hörten von vielen Radlern, die kein Visum erhielten. In Sarakhs trafen wir Fica, eine schwedische Soloradlerin, die ebenfalls durch Turkmenistan wollte. So deckten wir uns gemeinsam mit Lebensmitteln und viel Wasser (12 Liter pro Person) ein, um das Turkmenistan Spiel zu beginnen. Die Regeln des Spiels lauten:

1. Du hast Gegenwind
2. Es wird 50 Grad heiss
3. Du fährst durch Steppe oder Wüste
4. Du hast fünf Tage Zeit für ca 500 km
5. Von diesen fünf Tagen geht ca. einer drauf für Zollkontrollen.

Level 1, der Zoll
Begann nicht optimal, da der iranische Zöllner vermutlich Probleme mit dem Wecker hatte. Statt um acht tauchte er erst etwas um 8:45 auf, danach ging es aber einigermassen zügig, um 9:15 rollten wir in Richtung Turkmenistan. Dort waren wir dank Cyclingabout mental auf eine beispielloses Geduldsprobe vorbereitet. Zu unserer Überraschung ging jedoch alles ganz glatt. Die Zöllner haben uns mit einem Goldzahnlächeln begrüsst, füllten für uns die Formulare aus, von unseren 18 Taschen auf drei Velos wurde eine angeschaut, beim Gepäckröntgen kamen keine Drogen oder Waffen zum Vorschein und so waren nach weiteren eineinhalb Stunden in Turkmenistan.

Level 2,  die StRaSsE nach Hauz Han
Nach Hauz Han gibt es zwei Strassen, eine längere und eine kürzere. Die kürzere wurde in einem Blog als the worst road you have ever ridden beschrieben. Das war nicht ganz falsch, hatten doch die Schlaglöcher die Grösse einer Badewanne. Da die Löcher allerdings keine scharfen Kanten hatten, machte es sogar Spass, wie in einer kleinen Halfpipe in sie hineinzutauchen. Die wenigen Lastwagen, die uns passierten, hatten eine deutlich härtere Zeit. Zudem fuhren wir eh nicht schneller als 13 km/h (siehe Regel 1). So war die kurze Strasse die bessere Wahl. Wir campierten irgendwo in der Steppe und assen eine Dose Thunfisch von Fica. Sie kriegte diese - und noch neun weitere - von ihrem letzten Gastgeber in Iran (vgl. Gastfreundschaft im Iran). Zudem kam Iris' Kopftuch aus dem Iran noch einmal zum Einsatz, diesmal aber, um mit Wasser getränkte Bierdosen zu kühlen.

Level 3, die Entscheidung
Am nächsten Tag wurde die Strasse ab Hauz Han besser, der Wind blieb. So fuhren wir langsam aber kontinuierlich nach Mary. Dort mussten wir uns entscheiden: Gehen wir all in und fahren die ganze Strecke oder nehmen wir einen Bus bis Turkmenabad und lassen den schönsten, aber auch den härtesten Teil aus? Wir kamen nicht schlecht voran, aber auch nicht sonderlich gut. Nach langem Hin und Her entschieden wir uns für die Vernunft, also den Bus, während Fica sich mutig in die Wüste aufmachte. Wir suchten uns ein Hotel in Mary und fanden etwas, das diese Bezeichnung nicht verdiente. Vor dem Schlafen versuchten wir noch, uns selber zu überzeugen, dass wir richtig entschieden hatten. Mit mässigem Erfolg.

Level 4, der Bus nach Turkmenabad
Wir fanden beim Bahnhof ein Busterminal und dort einen Bus nach Turkmenabad. Velo verladen war kein Problem, die Reise verlief angenehm. In Turkmenabad gingen wir am nächsten Tag auf den Bazaar, um uns wieder mit Essen einzudecken. Dort entdeckten uns zwei Jungs mit ihren sehr fantasievoll gepimpten Rädern. Da wurden aus Schallplatten Speichenschütze, eine Autobatterie lieferte die Energie für das Soundsystem und die Hupe konnte locker mit den Autos mithalten. Als Abschiedsgeschenk bekamen wir je ein paar Socken geschenkt -von der Velogang!

Level 5, der Zoll
Als die Temperaturen gegen Abend wieder kühler wurden, fuhren wir aus Turkmenabad hinaus bis kurz vor die Grenze. Dort campierten wir mitten in den Sanddünen. So waren wir am Morgen früh am Zoll, wo wir auf eine müde, aber stolze Fica trafen. Sie hatte die Wüste tatsächlich durchquert! (ihr Blog: thebikeramble.com )
Den turkmenischen Zoll passierten wir wieder relativ einfach. Beim usbekischen Zoll ging es zum ersten mal etwas länger. Bücher, Medikamente und Fotos lagen den Zöllnern dort sehr am Herzen. Etwas enttäuscht darob, dass unser einziges Buch ein Point-it Wörterbuch war, wollte die Dame alle unsere Taschen sehen. So erklärten wir die Medis (ein Bild für Blasenentzündung im Point-it Buch wäre hilfreich gewesen) und gaben ihr unseren USB Stick mit den Fotos drauf. Den fand sie toll und nahm sich deshalb gerne die Zeit, die ca. 500 Ferienfotos einzeln anzuschauen. Danach durften wir endlich passieren und waren in Usbekistan.

Für die restlichen 100 km organisierten wir unser Dreiergespann in drei Units. Die erste Person war "Operations". Sie erledigte die harte Frontarbeit, Wind teilen, Tempo bestimmen und so. Dann kam "Controlling". Dessen Aufgaben waren zu prüfen, ob das von Operations angesetzte Tempo reichen würde und ob die Ablösungen eingehalten wurden. Im Sinne einer Job Rotation wurden die Positionen nämlich laufend geändert. Die letzte Abteilung schliesslich war "Public Relations". Hauptaufgaben waren den Leuten zurückzuwinken und die Blitzinterviews zu führen (Откуда? Svezzaria. Where are you going? To Buchara).
So kamen wir spät am Abend in Buchara an, geniessen hier ein richtiges Bett, eine Dusche und anderes Essen als Thunfischbüchsen. Hier planen wir nun den nächsten Abschnitt. Zurzeit ist es noch recht offen, ob wir den Pamir Highway fahren können, da dort Erdrutsche die Strasse wegschwemmen. Wir weden sehen.







Abschied vom Iran

Zum Schluss gaben wir uns nochmal eine volle Ladung Iran. Wir waren in Mashad, einem der heiligsten Orte der islamischen Welt. Dort befindet sich der Imam Reza Schrein, der zum Ende des heiligen Monats Ramadan eine stark besuchte Pilgerstätte ist. Dank präzisen Anweisungen unserer Gastgeber und einem Tschador für Iris gelang es uns, ohne persönlichen Aufpasser in den Schrein zu kommen. Dieser war schon im Innenhof voller Leute, richtig eng wurde es jedoch beim Grab von Imam Reza. Iris wagte sich trotzdem hinein.

Die Eingänge sind Geschlechter getrennt, Männer und Frauen passieren getrennt eine unsichtbare Vernunftschwelle. Hinter dieser legt man Scham und Rücksicht ab und gibt sich voll der religiösen Ekstase hin, mit heulen, winken und stossen.

Während Iris dieses Schauspiel über sich ergehen liess, wartete Reto im Innenhof auf einem riesigen Teppich und beobachtete dort die Männer mit den Staubwedeln. Deren Aufgabe war es, den Schrein reinzuhalten, allerdings nicht von Staub sondern von Frevel und Verderben. Kein hervorlugendes weibliches Haar oder Handgelenk entging ihrem wachen Blick, und wenn sie eines entdeckten, zeigten sie streng mit dem Staubwedel darauf, auf das der angebrachte Keuschheitsgrad wieder hergestellt wurde.

Was im Iran noch folgte, war Visa für Turkmenistan besorgen und  200 km durch schöne, karge Landschaft zur Grenze, dann war Iran Geschichte.

Iran war ein sehr intensives Land für uns. Wir waren überwältigt von der Gastfreundschaft, die sich allerdings manchmal hart an der Grenze zur Bevormundung bewegte. Wobei, darf man sich über zuviel Gastfreundschaft beklagen? Wir haben viel lustiges und kurioses erlebt. Der Ramadan war interessant zu erleben. Allerdings begegneten wir auch vielen Regeln und Verboten, angefangen beim Kopftuch bis hin zum Zwang, nach aussen ein frommes Leben vorzuspielen, will man sich nicht völlig aus der Gesellschaft ausschliessen. Die Rechte und Möglichkeiten der Frauen in der Gesellschaft haben uns viel zu denken gegeben.



Donnerstag, 16. Juli 2015

Wieder im Sattel im Iran

Yazd ist eine Stadt mitten in der Wüste. Um das Leben in der Wüste zu ermöglichen, haben die Bewohner lange unterirdische Wassertunnels (Qanats) von den Bergen in die Stadt gegraben, teilweise bis 90 Kilometer lang. Die alten Häuser verfügen über Windtürme, die den Wind in das Gebäude leiten. Noch heute werden die Gebäude mit einem Verputz aus Lehm und Stroh eingekleidet, um die Hitze draussen zu halten. Das gibt der Stadt das erdbraune Erscheinungsbild, dass für uns so anders aussieht. Wir besuchten am Morgen einen historischen Bestattungsturm, von dem man einen schönen Blick auf die Stadt hatte. Da das Thermometer bereits vor mittag auf über 50 Grad kletterte, warteten wir bis am Abend, bevor wir mit Andreas, einem Schweizer Tourenfahrer, einen Ausflug in die Sanddünen machten. Wir waren völlig fasziniert von den riesigen Dünen und dem feinen Sand, der wie Wasser die Dünen runterfloss.
Von Yazd fuhren wir mit dem Nachtzug und dem Bus zurück nach Abbas Abad, wo unsere leicht verstaubten Räder auf uns warteten. Endlich wieder in Sattel. Die Zeit der warmshower Übernachtungen begann wieder. In Quem Shar durfte Iris mit an eine Damen Versammlung in der Dorfmoschee. Die begann mit dem Pflichtteil, während dem eine Koranleserin vergeblich versuchte, die tratschenden, essenden und smslenden Damen zu übertönen. Dann kam die Kür: Die Damenriege spielte ein Glücksspiel, bei dem Iris als Glücksfee mässig erfolgreich war. Anschliessend verzog sich die Runde in ein privates Haus, wo zu scheppernder Musik getanzt wurde. Das war eine dieser Momente, in denen Iris auffiel, wie lange sie schon kein Bier mehr hatte und wie nötig gerade jetzt eines gewesen wäre...
Nach einigen Kilometern änderte sich die Landschaft. Die Orte wurden kleiner, die Polizei neugieriger. So wurden wir in einem Park in einem kleinen Örtchen um halb eins in der Nacht von der Polizei aus dem Zelt zitiert. Unsere Velos waren ihnen nicht sicher genug abgeschlossen. Also klopften sie einen Nachbarn aus dem Haus und parkierten unsere Velos in seinem Hof. Besser so. Dass sie während der Aktion das eine oder andere Erinnerungsfoto mit uns schossen, nährte in uns den Verdacht, dass Neugier zu gleichen Teilen wie Besorgnis Auslöser der Aktion war.
Dann kam der Golestan Nationalpark. Auf einmal fuhren wir mitten im Wald. Das war eine sehr willkommene Abwechslung, denn im Schatten der Bäume war es merklich kühler. Wir fanden ein Plätzchen zum Campieren. Drei Iraner auf der Durchreise waren ebenfalls dort. Als sie kapierten, dass wir hier übernachten wollten, boten sie an zu bleiben, um uns zu beschützen. Wir brachten sie nicht dazu, wie geplant weiterzufahren. Die Wildschweine, die in der Nacht kamen, schafften das spielend. Die Herren weckten uns, meinten entschuldigend, es sei zu gefährlich und weg waren sie. Wir blieben. Da wir schon den ganzen Tag Wildschweine gesehen hatten, die sich ohne Scheu den Menschen näherten, waren wir nicht ganz so nervös, als sie schmatzend und grunzend die Abfälle neben unserem Zelt vertilgten, waren aber doch erleichtert, als sie weiterzogen.
Da wir von verschiedenen Leuten gehört hatten, dass das turkmenische Konsulat in Mashad eine ordentliche Ablehnquote und auch ab und an eine kleine Verspätung aufweist, beschleunigten wir die Fahrt nach Mashhad etwas. So sind wir nun bereits den zweiten Tag in einem Hotel und schauen auf einen speditiven Tag zurück. Wir haben das turkmenische Visum, Iris' Velo ist beim Mechaniker, um endlich die hintere Nabe zu ersetzen, die seit ca. 3000 km immer wieder mal Probleme macht und wir haben die Schlüsselstelle geplant, den Transit durch Turkmenistan. Nun haben wir noch vier Tage "Ferien", bevor wir uns auf den Ritt durch die turkmenische Wüste machen. Oder anders gesagt: In sieben Tagen trinken wir wieder mal ein Bier.


Moschee in Yazd

Ausflug in die Sanddünen 

Ruinen bei Yazd 


Gut geladen 

In Golestan Park 


Sie wissen wohl, dass sie hier nicht auf dem Teller landen


Abendessen in Abbas Abad 

Girls night out in der Moschee